Category: Contratrallala.LIEDTEXTE

Juli 4th, 2016 by Traute Rech-Schiffler

Die Sprüche, die so mancher klopft,

sind wie ein Eisenpfosten,

der, falls der Regen auf ihn tropft,

sogleich beginnt zu rosten.

 

Nicht jeder Sprücheklopfer ist

mit Weisheiten gepudert.

So kommt’s, dass man ihn rasch vergisst

und seinen Spruch verschludert.

 

Ich schließe mich da selbst nicht aus,

weil ich auch gern belehre.

Doch Netzwerkdaumenhochapplaus

gereicht mir nicht zur Ehre.

 

Sentenzen, die ich mir erdacht,

leg ich in meine Truhe.

Dort reifen sie dann über Nacht

und lassen, wenn der Tag vollbracht

und Lunas kühles Licht erwacht,

mich und auch euch in Ruhe!

 

 

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Juli 2nd, 2016 by Traute Rech-Schiffler

Ich wohnte in meiner Eltern Haus

und wollte zur Kunsthochschule mit Sechzehn.

Die Eltern bestimmten: Da wird nichts draus,

Almosenjobber, die ständig im Pech stehn.

Bleib schön in der Spur

und mach Abitur!

 

Ich wohnte in meiner Eltern Haus,

studierte auf Lehramt bis Zweiundzwanzig.

Die Eltern bestimmten. Aus Kunst war ich raus.

Den Paukerberuf fand ich damals schon ranzig.

Es gab kein Retour:

ich blieb in der Spur.

 

Ich wohnte in meines Gatten Haus.

Ich hatte Ideen in all diesen Jahren.

Familie bestimmte mit Mann und Maus.

Kultur? Nur Kleinklein, obsolet mit Scholaren.

Kein Künstlerparcours,

ich blieb in der Spur.

 

Ich wechselte Häuser, den Mann, das Land,

auch Arbeitsstellen. Dann war ich Sechzig.

Die Hoffnung des Künstlerns nie ganz entschwand,

Und Ruhestandfreiheit, fand ich, wird prächtig.

Ich blieb in der Spur,

sagt die Inventur.

 

Ich wohne mit Siebzig im Fantasy-Haus

und male, verdichte, ich singe und schreibe.

Was Andre bestimmen – nur Braus und Saus!

Lasst mir meine Ruhe – verdammt! Ich bleibe

nun endlich mal stur

und neben der Spur!

 

etuART 2016

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April 21st, 2016 by Traute Rech-Schiffler

Als ich Siebzig wurde, beendete ich, Alt-Achtundsechzigerin, mein mit Achtundsechzig begonnenes Liedprogramm CONTRATRALLALA mit einem Song, dessen Text ich hier an den Anfang stelle.

 

EIGENTLICH REICHT ES DOCH…

Eigentlich reicht es doch, die alten Lieder zu singen

von Liebe, Lust und Leidenschaft,

von Frauendemut, Manneskraft.

Die neuen Lieder können’s auch nicht besser bringen.

 

Eigentlich reicht es doch, die alten Verse zu raunen

von Leben, Tod und Ewigkeit,

von Vaterfreude, Mutterleid.

Die neuen Verse bringen mich nicht mehr zum Staunen.

 

Eigentlich reicht es doch, die alten Märchen zu lesen

von Armut, Angst und Wagemut,

von Edelmännern, Hexenbrut.

Die neuen Märchen kehren wie die alten Besen.

 

Eigentlich reicht es doch, die alten Stücke zu spielen

von Schlauheit, Witz und Unverstand,

von Muttertagen, Vaterland.

Die neuen Stücke folgen heute andern Zielen.

 

Eigentlich reicht es doch, die alten Leute zu fragen,

wie man ihn schreibt, den Lebenslauf

bis hin zum letzten Ausverkauf.

Die jungen Leute können dir das niemals sagen.

 

Foto: Erinnerung an mein letztes Konzert als „Jugend musiziert“-Preisträgerin im damals sog. Kreishausfestsaal in Ottweiler 1964.P1080418

 

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